Daughters of Time

Wenn wir fremden Menschen jeweils erzählen, dass wir als Schwestern gemeinsam arbeiten und dazu noch das Büro mit unseren Eltern teilen, kommentieren dies viele mit: «Wow, schön. Aber sicher auch schwierig.» Für uns ist es tatsächlich vor allem schön und nicht wirklich schwierig. Das ist aber von Familie zu Familie unterschiedlich. Woran liegt das?


Wenn wir zurück denken, hatten wir in der Familie grundsätzlich immer ein gutes Verhältnis. Ja, in der Jugend geprägt von verschiedenen Spannungen, Auseinandersetzungen und austesten von Grenzen. Und trotzdem war immer klar: Wir mögen uns alle gerne. Liebe ist in unserer Familie sozusagen ubiquitär vorhanden. Gross darüber nachgedacht haben wir nie. Unsere Eltern haben uns gleichberechtigt behandelt. Und auch wenn Chantal zwei Jahre jünger ist, hatte ich nie das Gefühl durch den Zufall älter zu sein, mehr Rechte zu haben oder besser zu sein. Denn es war immer genug Platz für alle da. Sowohl unsere Mama, als auch unser Papa, haben unsere individuellen Talente geschätzt und gefördert. Hatte ich das Talent im Chaos eine Struktur zu finden, war Chantal unglaublich stark in Dingen, die viel Geduld brauchen (Geige spielen zum Beispiel). Das hat dazu geführt, dass wir unsere Unterschiede schätzen gelernt haben und diese heute im Berufsleben und bei der gemeinsamen Arbeit genau so auch nutzen. Wir empowern uns gegenseitig, die eigenen Stärken voll auszuleben.

«If you want to change the world,
go home and love your family.»

Mutter Theresa
Beziehungen führen und liebe weitergeben

Die Basis einer guten Beziehung, egal welcher Art, ist Vertrauen. Und Vertrauen entsteht durch die Erfahrungen, die man mit den Menschen im eigenen Umfeld macht. Als Eltern gibt man den Kindern das weiter, was man selber vorlebt und erlebt hat. Die angeeigneten Verhaltensmuster prägen unsere Beziehungen. Und eine essenzielle Beziehung die jeder Mensch führt, ist die Beziehung mit sich selber. Darum ist in meinen Augen der erste Schritt zu gelingenden Beziehungen, insbesondere innerhalb der Familie, sich mit sich selber auseinanderzusetzen. Wir hatten ein unglaubliches Glück mit unserem Papa, der sich vertieft mit psychologischen und philosophischen Themen auseinandergesetzt hat. Er hat mir, da ich eine leidenschaftliche Leserin bin, schon in jungen Jahren Bücher geschenkt zu Themen wie zum Biespiel: «Wie setze ich Grenzen», «Was ist der Sinn deines Lebens», «Finde deine Berufung». Und ich höre ihn heute noch sagen: «Du musst nichts machen, was du nicht wirklich aus tiefem Herzen machen willst. Egal ob du Schuhmacherin oder Bankerin wirst, wir unterstützen dich.» Wenn ich heute darüber nachdenke, bin ich einfach nur dankbar. Dankbar dafür, dass meine Eltern mich so sehr lieben, dass sie ihre eigenen Vorstellungen vom richtigen Leben zurücksteckten und mir die Freiheit gaben, mein Leben ganz frei zu wählen und zu entdecken, wer ich bin.
 

Nicht alle Familien funktionieren so

Mir ist klar, dass das nicht bei allen der Fall ist. Familien funktionieren nur so gut, wie die einzelnen Personen darin. Und das fängt klar bei den Eltern an. Ein Kleinkind kann die Beziehung zu seinen Eltern weder reflektieren, noch wirklich beeinflussen. Ein Kind ist einfach, wie es ist. Und lernt den sozialen Umgang mit den Mitmenschen durch die Eltern. Durch ihr Exempel.

Bei uns haben Gespräche am Tisch stattgefunden die so gingen: «Wir möchten euch wirklich gleich behandlen und geben immer unser Bestes das zu tun. Sollte das einmal nicht der Fall sein, wären wir froh darum, wenn ihr uns das sagt.» Und das war ehrlich gemeint. Wenn wir uns mal ungerecht behandelt fühlten, durften wir das sagen und wir bekamen nicht zu hören wir seien undankbare Kinder oder so etwas in der Art und Weise. Sondern unsere Anliegen wurden ernst genommen. Auf Augenhöhe, so gut das in jüngeren Jahren eben möglich war. Unsere Mama hat uns erzählt, dass sie früher mit uns immer so gesprochen hat, wie sie auch mit Erwachsenen spricht. Keine kindlichen Verniedlichungen, oder Sätze, wie «Das verstehst du nicht, dafür bist du noch zu klein». Als Kind fühlt man sich so ernst genommen und ich denke, das hat mich und Chantal sehr beeinflusst. Wir begegnen uns stest auf Augenhöhe, haben Verständnis für die Schwächen des anderen und können auch mit disharmonischen Momenten gut umgehen. Am Ende wissen wir stets: Jede meint es gut mit der anderen. Wir können darauf vertrauen.
 

Bedingungslose Liebe ist die basis

Jede Familie ist anders und auch die Geschwisterbeziehung kann unter Umständen schwierig sein. Es gibt auch Familien, bei denen irgendwann der Punkt kommen muss, sich zu verabschieden. Du kannst andere nicht verändern, du kannst nur dich oder deine Sichtweise auf die Situation verändern. Das zu akzeptieren ist sicher ein Prozess, weil du Teil eines Familiensystems bist, das dich dann fast nicht loslässt. Eine Beziehung besteht aus zwei Menschen und wäre meine Familie nicht genau so, wie sie ist, ich weiss nicht, ob wir dann tatsächlich zusammenarbeiten könnten. Nur durch unsere Eltern haben wir gelernt, was bedingungslose Liebe heisst. Und ohne bedingungslose Liebe, hätten wir kein Vertrauen aufbauen können.
Wenn also die Liebe deiner Eltern oder deiner Geschwister an Bedingungen geknüpft ist, wie zum Beispiel gute Leistung, ein gewisses Verhalten oder du immer in eine bestimmte Rolle fallen musst, um ihnen zu gefallen, dann ist diese Beziehung nicht gesund und nicht nachhaltig. Stell dir vor, du musst ein Leben lang anders sein, als wie du wirklich bist. Da verlierst du komplett den Bezug zu deinem authentischen Selbst und kannst auch kein authentisches Leben führen. Macht das glücklich? Ich glaube nicht.
 

Take it, change it or leave it

Was ich dir mitgeben kann ist Folgendes: Man kann sich die Familie nicht aussuchen. Aber man kann als Erwachsener neu entscheiden und reflektieren, ob und in welchem Masse die Familie eine Rolle im eigenen Leben spielen soll. Wenn die Beziehung mit deinen Eltern nicht harmonisch ist und nicht funktioniert, brauchst du dich nicht dafür zu schämen. Im Coaching gibt es einen Grundsatz, an den ich mich für alle meine Lebensentscheidungen halte: Take it, change it or leave it. Nimm es an, wie es ist, verändere es oder lass es los. Egal, für was du dich entscheidest: Es ist ok. // fm

Chantal und Fabienne sitzen im Feld.

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